In der Karfreitagsliturgie ist die
Verlesung der Passion Jesu, die wir eben hörten, der wichtigste Bestandteil. In
diesem Bericht begegnen wir verschiedenen Personen, wie Pilatus, Petrus,
Herodes, Kajaphas, Hannas, Judas, Soldaten, Johannes, Maria von Magdalena,
Maria der Mutter Jesu, dem Hauptmann,
Veronika, je einem Räuber auf der rechten und der linken Seite des Kreuzes Jesu
und Joseph von Arimathea, um einige von ihnen zu nennen. Keiner von diesen
verschiedenen Persönlichkeiten konnte den Tod Jesu verhindern, obwohl alle von
der Unschuld Jesu wussten. Vom Urteil über Jesus bis zu seinem Tod gab es
verschiedene Stationen und Ereignisse, insbesondere die Stationen des
Kreuzweges, die uns die Intensität des Leidens und des Sterbens Jesu nahe
bringen. Einige davon zu nennen sind, der Verrat, die Verurteilung und
Hinrichtung, der Kreuzweg, das Hinfallen mit dem Kreuz, die Begegnung Jesu mit
den Frauen in Jerusalem, die Annagelung und die Kreuzigung und der Tod Jesu am
Kreuz.
Unter diesen Bildern und Szenen berührte
mich in den letzten Tagen das Bild vom verstorbenen Jesus auf dem Schoß seiner
Mutter Maria. In den Evangelien lesen wir über dieses Ereignis nichts, sondern
wir lesen dort, dass Joseph von Arimathea Pilatus bat, den Leichnam abnehmen zu
dürfen und Nikodemus brachte eine Mischung aus Myrrhe und Aloe, umwickelten ihn
mit Leinenbinden und bestatteten Jesus in einem Grab im Garten in der Nähe.
Der Leichnam Jesu auf dem Schoß Maria ist
eine Überlieferung, die im Mittelalter durch Andachtsbilder verbreitet wurde.
Als 1498 Michelangelo durch den Auftrag eines französischen Kardinals dieses
Thema aufgriff und die Pieta aus Marmor darstellte, zu
sehen im Petersdom in Rom, wurde dieses Thema durch die Besonderheit des
Themas und der Feinheit der Darstellung weltweit bekannt.
Diese weltberühmte Klassik von
Michelangelo aus Marmor wird heute aus verschiedenen Werkstoffen nachgemacht, weil die Menschen von dieser
Darstellung sehr berührt und bewegt wurden.
Eine Darstellung vom Kind Jesu auf dem
Schoß Marias ist uns leicht vorstellbar und so eine Darstellung macht uns
Freude. Aber die Darstellung des erwachsenen Leichnams Jesu, der
33-jährig auf dem Schoß der Mutter Maria ruht, macht uns traurig,
schmerzhaft und erschreckend. Es ist eine Abbildung von der bekleideten Mutter Maria
mit einem fast unbekleideten Jesus auf dem Schoß, wie es im Vertrag mit
Michelangelo stand. Wenn wir diese Statue von Michelangelo genau betrachten,
erleben wir, das es nicht nur um den Schmerz der Mutter über den Tod
ihres 33-jährigen Sohnes geht, sondern auch um viele theologische und
spirituelle Bedeutungen der Heilsgeschichte. Z.B. Maria, die Mutter Jesu wird
als Pieta viel jünger dargestellt als ihr Sohn, Maria wird als ein junges
Mädchen dargestellt und Jesus als ein 33-jähriger Mann. Das bemerken wir, wenn
wir in das Gesicht Marias der Pieta schauen. D.h. eine Darstellung aus Marmor
von einem 33- jährigen fast nackten Mann auf dem Schoß eines Mädchens an einem
öffentlichen Ort; Es könnte als ein Skandal für einen normalen Menschen
interpretiert werden. Genauso könnte die Statue eines fast nackten Mannes am
Kreuz in öffentlichen Räumen als Skandal interpretiert werden. Diese
Interpretation und diese Skandale sind heute keine Theorie mehr, sondern eine
Wirklichkeit, die die Politiker oder kritische
Gruppen wahrnehmen und entsprechend solche Gegenstände aus öffentlichen
Orten entfernen lassen.
Wenn wir außerhalb des Christentums die
verschiedenen Darstellungen aus Weltreligionen betrachten, erleben wir ähnliche
Darstellungen überall in allen Weltreligionen, wie im Christentum. Im Hindu
Tempeln gibt es sogar viele erotische Darstellungen. Wenn die Gläubigen solche
Darstellungen sehen, ist es für sie nicht skandalös, sondern sie sehen es nicht
mit rein materialistischen Augen, sondern im Hintergrund ihres religiösen
Glaubens und der religiösen Erfahrung, die ihnen Mut und Kraft für den Alltag
schenken. Für uns gläubige Christen sind Kruzifix und Pieta die schönsten und
tiefsten Darstellungen der Heilsgeschichte und des Heilsplan Gottes.
Am letzten Sonntag habe ich in meiner
Heimatkirche die heilige Messe gelesen und am Montag und Dienstag auch die
Werktagsgottesdienste dort zelebriert. Es war interessant zu sehen, dass aus
einer Gemeinde mit 4.000 Katholiken für den Werktagsgottesdienst frühmorgens um
6.30 Uhr über 350 Leute kamen. Am Abend mit der Familie zu beten und zum
Gottesdienst zu gehen sind für die Menschen sehr wichtig, was in Deutschland
vor 70 Jahren vielleicht auch noch selbstverständlich war.
Wenn der Glaube an Gott und die religiöse
Praxis und Erfahrung im eigenen Leben
wegfallen, werden wir religiöse Glaubenswahrheiten und religiöse Darstellungen
nicht mehr verstehen und sie sogar als störend oder
als Skandal empfinden.
Unsere Gesellschaft ist so weit, dass
manche Menschen sich trauen, sogar gegen unsere Glaubenspraxis zu protestieren,
die zu unserer Kultur und unserer Identität gehören. Den christlichen Glauben
zu bewahren bedeutet, religiöse Identität zu bewahren, was ich für wichtig
halte. Am Karfreitag dürfen wir uns bewusst
zur Leidensgeschichte und zu Jesus am Kreuz bekennen und bezeugen, dass wir Christen sind und wir
unseren christlichen Glauben und die christliche Kultur bewahren wollen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen